Deutschland nach dem Krieg: Soziale Marktwirtschaft

Deutschland nach dem Krieg: Soziale Marktwirtschaft
Deutschland nach dem Krieg: Soziale Marktwirtschaft
 
Nach dem Krieg galt es, die darniederliegende Wirtschaft möglichst schnell wieder aufzubauen. Zunächst wurde in fast allen Ländern der sozialistischen Idee der zentral gelenkten Wirtschaft Vorrang eingeräumt. Zentrale Lenkung und Zuteilung - in Deutschland seit Beginn des 2. Weltkrieges praktiziert - schien die einzige Möglichkeit zu sein, den Bedarf der Menschen an Nahrungsmitteln, Kleidung, Kohlen usw. einigermaßen gleichmäßig und gerecht zu decken. Man sah dies zwar als Notmaßnahme an, doch konnte sich niemand auch auf längere Sicht andere Lösungen vorstellen, durch die der notwendigste Bedarf gedeckt werden konnte. Seinen Niederschlag fand der Gedanke der zentralen Lenkung der Wirtschaft sogar bei der CDU, die in ihrem Ahlener Programm von 1947 auch die Vergesellschaftung der Grundstoffindustrien nicht ausschließen mochte.
 
Während die britische Militärverwaltung solchen sozialistischen Vorstellungen durchaus folgen konnte, stießen diese Gedanken bei den amerikanischen Dienststellen auf Ablehnung. Vor allem General Lucius D. Clay war klar, dass die Wirtschaft nur in Schwung kommen konnte, wenn für den Wiederaufbau genügend Kredite bereitgestellt würden. Kredite für eine von sozialistischen Theorien beherrschte Volkswirtschaft wären aber weder vom amerikanischen Kongress noch von der amerikanischen Wirtschaft zu erhalten gewesen. So zielte Clay in der amerikanischen Besatzungszone darauf ab, ein möglichst liberales Wirtschaftssystem aufzubauen. Natürlich suchten die Vertreter der widerstreitenden Richtungen die Schlüsselpositionen in den Länderregierungen und den zentralen Organen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes mit ihren jeweiligen Anhängern zu besetzen. Mit Viktor Agartz als Direktor des Verwaltungsamtes für Wirtschaft der Bizone gelangte ein exponierter Sozialist in eine Schlüsselposition. Die Vertreter einer liberaleren Wirtschaftspolitik - vor allem im süddeutschen Raum angesiedelt - sammelten sich um den parteilosen bayerischen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Im März 1948 wurde Erhard zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gewählt. Sein Programm sah die Liberalisierung der Wirtschaft vor. Währungsreform und Marshallplanhilfe seien geeignet, den Wirtschaftsaufschwung zu sichern. Produktion und Konsum müssten mehr Freiheit haben, Wettbewerb und Leistungswille seien das Gebot der Stunde. Die soziale Marktwirtschaft bedingte nach Anlaufschwierigkeiten den wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik. Das »Wirtschaftswunder«, ist jedoch auch im Rahmen eines fast alle europäischen Länder erfassenden Wirtschaftswachstums zu sehen.
 
Die soziale Marktwirtschaft sieht bei grundsätzlicher Befürwortung und Absicherung der wirtschaftlichen Freiheit eine Regulierungsund Kontrollfunktion des Staates vor, um ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit zu gewährleisten. Der Staat hat die Aufgabe, sozial unerwünschte Entwicklungen der Marktwirtschaft rechtzeitig zu korrigieren, den freien Wettbewerb unter anderem vor der Beeinträchtigung durch Kartelle und Monopole zu schützen und die Einkommens- und Vermögensverteilung im Interesse der nicht am Wirtschaftsprozess beteiligten Bevölkerungsgruppen zu steuern. Bestimmte Bereiche der Volkswirtschaft wie z. B. Raumordnung und Strukturpolitik, die der Privatinitiative nicht überlassen werden können, werden vom Staat geregelt. Dem Staat obliegt es ferner, die Stabilität des Geldwertes zu sichern.

Universal-Lexikon. 2012.

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